Fraktale Kunst
Das berechnete Chaos: Ausstellung „Fractal Fine Arts“ im Trifolion in Echternach
Der Künstler Bernd Preiss malt seine Bilder nicht mit Pinseln
auf Leinwand. Seine Leinwand ist der Computer, seine Pinsel sind
Formeln, seine Bilder sind Fraktale - abstrakte Strukturen, die sich
scheinbar chaotisch ausbreiten. Ein Computer berechnet die Formen und
Farben aus Formeln, die Preiss eingibt. "Im Gegensatz zu einem Maler
kann ich nicht im Nachhinein etwas Rot in einer Ecke hinzufügen, wenn
ich das möchte", erklärt Preiss. Denn dazu müsste er einen Parameter in
der Formel ändern, und damit ändert sich das gesamte Bild - ganz egal,
wie gering der Unterschied ist.
"Das ist wie mit dem
Schmetterling, der in Afrika mit den Flügeln schlägt und in Asien einen
Tornado auslöst." Denn wie das Wetter seien Fraktale hochkomplexe
Gebilde, auf die extrem viele Faktoren gleichzeitig einwirken, so dass
schon eine winzige Änderung das gesamte Gefüge durcheinanderbringen
kann. "Natürlich könnte ich theoretisch auch exakt dasselbe Bild in Blau
statt in Rot erstellen", sagt Preiss. "Aber ich dürfte nicht einfach
einen Wert ändern, sondern müsste an allen Rädern gleichzeitig drehen.
Dafür bräuchte ich einen unendlich großen Rechner und unendlich viel
Zeit."
Doch was sind überhaupt Fraktale? "Fraktale sind die
Architektur der Natur", sagt Preiss. Mit der fraktalen Geometrie lassen
sich etwa Wolken, Berge und Bäume berechnen und beschreiben. Die sind
für die klassische Geometrie mit Punkten, Geraden, Kreisen und Quadern
zu unregelmäßig, zu chaotisch - zu natürlich. Diese Phänomene hat der
französisch-amerikanische Mathematiker Benoît Mandelbrot in den 1980er
Jahren für die Wissenschaft greifbar gemacht.
Preiss ist selbst
Physiker. In den 1980ern hat er sich am Institut für Kernphysik der
Goethe-Universität in Frankfurt unter anderem mit dem Aufbau von
Molekülen beschäftigt. "Und die machen nicht immer, was man will", sagt
er. Dann kam Mandelbrot und hat alles verändert. Plötzlich war exakt
berechenbar, was da passiert. Am Computer ließen sich diese Berechnungen
visualisieren. "Ich habe damals auf den lahmen Rechnern im Labor mit
Fraktalen herumgespielt", erzählt Preiss. "Es hat stundenlang gedauert,
bis überhaupt etwas passiert ist, aber die Ergebnisse waren wie aus
einem Traum." So begann Preiss' Begeisterung für die Schönheit der
Fraktale. "Wenn man das Prinzip einmal erkannt hat, sieht man es
überall; es ist, als würde man der Natur ins Handwerk schauen."
Preiss'
Bilder sind am Computer entstandene Visualisierungen dieser
Berechnungen. Und tatsächlich lassen sich in ihnen mit etwas Fantasie
verzerrte, knallbunte Wolken und Pflanzen erkennen. Besonders wichtig
ist Preiss: "Ich erfinde nichts, ich entdecke." Seine Faszination für
die natürlichen Formen verbietet ihm, die Bilder mit Photoshop
nachträglich zu manipulieren. Ehrensache. Aber hat er überhaupt Einfluss
darauf, wie die Bilder aussehen? "Wenn ich es mit der klassischen
Malerei vergleiche: Es ist so, als könnte ich bestimmen, dass ich eine
Seenlandschaft malen will und kein Porträt." Aber nicht, wo genau wie
viele Bäume im Bild stehen.
Also ist das Ergebnis zum Teil dem
Zufall überlassen? An Zufall glaubt Preiss nicht: "Auch wenn ein
Künstler einen Eimer Farbe gegen eine Leinwand wirft, ist das Ergebnis
nicht zufällig." Jeder Parameter ändere das Bild: Wie hoch hält der
Künstler den Eimer, wie viel Farbe ist darin, wie schnell wird sie
geworfen? Das Ergebnis ließe sich theoretisch exakt berechnen. "Bei
meinen Fraktalen ist der Unterschied, dass ich diese Parameter genauer
beeinflusse", sagt Preiss. Das bis ins letzte Detail zu tun, würde
derzeitige menschliche und technische Möglichkeiten sprengen. "Echtes
Chaos gibt es gar nicht", sagt Preiss. "Nur unsere Unfähigkeit, die
Strukturen zu erkennen."
www.fractal-fineart.de
www.trifolion.de
Die Ausstellung
Die Vernissage von Bernd Preiss' Ausstellung "Fractal Fine Arts" im Trifolion Echternach ist am Dienstag, 14. November, um 19 Uhr. Zur Vernissage spielt die Luxemburger Band Simon's Sound Machine elektronische Musik, und der Trierer Mathematik-Professor Olaf Post hält einen einführenden Vortrag. Der Eintritt ist kostenlos. Besichtigungen sind während Trifolion-Veranstaltungen sowie dienstags und donnerstags von 13 bis 17 Uhr möglich. Die Ausstellung läuft bis Sonntag, 10. Dezember.